Vor dem Dialog

Warum ein Dialog mit der FPÖ nicht in Mauthausen beginnen kann…

Wenn wir heute der Befreiung Mauthausens gedenken, dann sollte dies mit einer Haltung der unerschütterlichen Anerkennung der historischen Verantwortung passieren.

Einer Verantwortung, die geprägt ist von Trauer und Konsequenz, Trauer, über die menschliche Niedertracht, die unsere Vorfahren des Nazi-Regimes in diesem Land möglich gemacht hat und gegenwärtliche Konsequenz der schmerzhaften Auseinandersetzung mit dieser Geschichte der Tat.

Die FPÖ ist weit von dieser unerschütterlichen Anerkennung und Konsequenz entfernt und kann genau deshalb nicht glaubwürdig, ja würdig an einem Ort wie Mauthausen gedenken.

Die FPÖ hätte als direkteste Nachfolgerin der Nazi-Parteigänger eine weit aus größere Hürde der Auseinandersetzung zu überwinden. Nur sie liefert nicht, im Gegenteil, sie ist bis heute ein Sammelbecken der Ewiggestrigen.

Nun meinen viele, man solle Dialog mit der FPÖ führen und diese zur symbolträchtigen Befreiungsfeier einladen. Nur die Feier an sich ist kein Dialog, sie ist ein zuallererst Gedenken an die Ermordeten und die Überlebenden.

Um rein theoretisch in diese Form der würdigen Anerkennung eintreten zu können, müsste die FPÖ konsequent und folgenreich ihre Geschichte und Gegenwart aufarbeiten. Erst am Ende stünde die mögliche Teilnahme an einem Staatsakt, wie dem oben genannten.

In diesem Sinne mögen manche Dialoge führen, ich bin konsequenterweise für die Selbstauflösung der FPÖ.

Opferdiskurs reloaded

https://twitter.com/matahari_etc/status/993044493610962944

Opferdiskurs reloaded. Was geht ab im ORF?

  verkommt heute, textlich vom ORF gestützt, zur Sendung für einen neuen Opfer-Diskurs “Wir-sind-die-neuen-Juden!” der FPÖ. Eigentlich kann ich es immer noch nicht fassen, wie sowas möglich ist.

Aber die Ankündigung des ORF ist sehr deutlich

Screenshot vom Link
Es ist die Rede davon, dass mit der Regierungsbeteiligung an sich eine Aussöhnung anstünde und die FPÖ doch endlich zu den Befreiungsfeierlichkeiten nach Mauthausen eingeladen werden solle.

Sie werden von den Texter_innen des ORF zu “Opfer” eines seit den 1960er Jahren anhaltenden Ausschlusses stilisiert, ein Ausschluss, der doch in Zeiten der Vizekanzlerschaft überdacht und mit der Dialogbereitschaft der Überlebenden und ihren Nachkommen belohnt gehörte.

“Hat die FPÖ ihre Vergangenheit genug aufgearbeitet”, fragt der ORF weiter in einer Zeit, wo Andreas Möller offenherzig zu gibt, dass die sog. Historikerkommission der FPÖ ein Ablenkungsmanöver war.

Die FPÖ hat ihre Gegenwart nicht im Griff, geschweige denn ihre Vergangenheit. Sie ist in Kontinuität die Lebenslinie einer menschenverachtenden und undemokratischen Ideologie, die auf Deutschtümelei und Herrenmenschen-Konstrukte basiert.

Sie liefert jeden Tag Beweise dafür, egal ob Jüd_innen wieder einmal für Weltverschwörungstheorien herhalten müssen, Teile der Bevölkerung als Höhlenmenschen bezeichnet oder mit Tieren verglichen und aus den KZ Befreite als Landplage tituliert werden.

Die Medien und Portale der FPÖ sind Dreckschleudern, die in ihrer Sprache jeglichen Respekt vor den eigentlichen Opfern des Nazi-Regimes vermissen lassen und du, ORF willst eine Aussöhnung herbeischreiben? Die Liste der Einzelfälle ist zu lang für diese Dummheit.

In meiner Fantasie taucht manchmal eine Zukunft auf, die das Erinnern und das im vollen Bewusstsein der historischen Verantwortung betreibt. Eine zutiefst an der unteilbaren Würde ALLER Menschen orientierten Gesellschaft.

Verantwortung für das Gestern zu übernehmen heißt Antworten für heute zu finden, angesichts der Shoa und nicht in Ablenkung von ihr.

PS: Mit Respekt hat der Vizekanzler nichts am Hut. Beispiel sein Besuch von Yad Vashem mit der Kopfbedeckung einer deutschnationalen Burschenschaft.

https://lindwurm.wordpress.com/2010/12/23/wenn-strache-yad-vashem-besucht/

Über Leistung und Kampf

Warum die Verknüpfung von Leistung und Kampf der neuen Regierung toxisch für ein gutes Leben für alle ist.

Vor nicht allzulanger Zeit öffnete der damalige Staatssekretär Kurz den verworrenen Diskurs um Österreich als Einwanderungsland mit seiner Kampagne “Integration durch Leistung”.

Viele sahen darin eine Trendwende und endlich die Möglichkeit dem rassistischen und ausländerfeindlichen Setzungen der FPÖ etwas entgegen zu setzen.

Wie schnell der Leistungsdiskurs in Menschenverachtung kippen kann, erleben wir dieser Tage. Menschen, deren Menschsein nur in ihrer Leistungsfähigkeit anerkannt wird, werden in eine Kampfzone geschoben, die eine gewisse Gesellschaftsform stärken soll.

Das Leben an sich als Kampf zu etablieren.

Österreich ist weder abgesandelt, noch werden wir von Kriminellen überrannt. Was für den Parteien an der Macht erwarten können ist eine allgemeine Entsicherung.

Wenn dieser Tage von Sicherheit die Rede ist, geht es nicht um Gesundheitsversorgung, Arbeit, Bildung oder sozialen Frieden. Es geht darum, die nächste Bevölkerungsgruppe ins Fadenkreuz zu nehmen und die Waffe zu entsichern.

Das untere Einkommensdrittel verdient keine Sicherheit, keinen ruhigen Schlaf oder auch keinen Urlaub, wenn sie “die Leistung” (was immer das ist, bestimmen nicht wir) nicht erbracht haben.

Es geht immer zu um Kampf im neoliberalen Dschungel und für manche um die Daseins-Berechtigung an sich. “Woher kommst du und wann gehst du zurück?” Es geht nicht um die Lösung von Herausforderungen, sondern um die Eskalation der Probleme.

Sozialer Friede an sich gefährdet das Diktum des Urfaschismus wie Umberto Eco es formulierte “Pazifismus ist Kollaboration mit dem Feind. Das Leben ist nur um des Kampfes Willen da.” Die FPÖ ist eine Partei der sozialen Entsicherung.

Sie braucht den Kampf, das Bedrohungsszenario, den Feind und sie ist unwillig Frieden zu schließen. Bald werden sie aufgrund des Absturzes in der Wählergunst noch wilder um sich schlagen und versuchen die soziale Kohäsion in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Die Sprache, die Leistung und Kampf favorisiert, gilt es zu brechen. In wirklicher Klarheit.

Homosozialität und Patriarchat

Österreich 2018: Wie Homosozialität wieder einmal den patriarchalen Staat ablöst.

(Ok, bissi komplexerer Thread, aber vielleicht könnt ihr ja fragen, wie was gemeint ist.)

Im Rahmen der Affäre bekommen erstmals seit Amtsantritt der schwarzblauen Regierung die Generalsekretäre mediale Aufmerksamkeit. Sie haben Durchgriffsrechte, wurde bestellt ohne Ausschreibung. Sie sind alle Männer.

Die männerbündische Ausrichtung ist augenscheinlich, sie ist aber auch unterschiedlich zu vorangegangenen konservativen Vorstellungen der Politik der Väter. Die Väter, wie Kreisky, Pröll, Häupl, Pühringer haben abgedankt.

An sich bildet die heteronomative Familie den symbolischen Kern des konservativen Staates und die Väterfamilien die Urzelle der politischen Organisierung. Diese konservative Form wird jedoch mehr und mehr vom Prinzip der Homosozialität abgelöst.

Homosozialität besagt, dass der Kern, die Urzelle des Staates der Männerbund ist. Diese Ablöse wird nötig, weil es zu einer Feminisierung der vormals väterlichen Familie gekommen ist. Zu viele Frauen stehen “ihren Mann” in der Gesellschaft.

Diese antifeministische Entwicklung hat auch antisemitische Wurzeln. Homosoziale Theorien entstanden in den 1910er Jahren und statuierten die Nationalstaatslosigkeit durch die matrilineare Weitergabe des Judentums und durch die Diaspora der (europäischen) Juden und Jüdinnen.

Hans Blüher, ein Psychologe, der die Wandervogelbewegung als ein homoerotisches Phänomen analysierte, versuchte in seinen Theorien in den 1910er Jahren den Männerbund als Keimzelle des Staates zu etablieren.

Ok, aber was hat das mit jetzt zu tun?

Während sich die ÖVP unter schwarzblau I noch als Staat der Familie und der Väter inszenierte, ist das patriarchale Prinzip mittlerweile vom Männerbündischen abgelöst worden.

Es ist offensichtlich, dass hierbei die FPÖ tragenden Einfluss auf die neue symbolische Ordnung genommen hat und die Partei des Bundeskanzlers kaum an ihr bewährtes Bild des Staates andockt. Da hilft auch keine ultrakonservative Menschenrechtssprecherin.

Gleichzeitig verlangt diese Verschiebung eine Abgrenzung in Richtung homoerotische Phänomene, die sich einerseits durch Ehefrauen/Freundinnen bewerkstelligen lässt, die nur als solche in die symbolische Ordnung eintreten und andererseits durch offen homophobes Auftreten von Vertreter_innen der FPÖ oder Ernennung von offen homophoben Abgeordneten, wie der schon erwähnten Menschenrechtssprecherin der ÖVP.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass wir gerade Zeug_innen einer Verschiebung der symbolischen Ordnung werden, die entlang antifeministischen und homophoben Ausrichtungen operiert und ihre Wurzel ist der europäische Antisemitismus.

Bisschen dicht für einen Thread, aber vielleicht waren ein paar Denkanstösse dabei.

Every Body Electric

“Every Body Electric”

Thread zur Tanzquartier Eröffnung, #HolocaustRemembranceDay and #nowkr

Es wiederum ein schneller Versuch, Ordnung in ein paar Gedanken zu bringen in einer Zeit, die von der Vorstellung des leistungsbereiten, befähigten, reinen, herrschaftlichen Körpers geprägt ist.

Die Vorstellung des gesunden, starken, reinen (und damit ist oft weißen gemeint) zieht sich wie ein roter Faden durch die österreichische Diskurslandschaft.

Dieser Über-Körper taucht derzeit im Diskurs noch nicht auf. Aber ins Rampenlicht gestellt werden die verwerflichen Körper, die mit 54 nicht mehr arbeiten können, die braunen und schwarzen Körper der Geflüchteten, diese dürfen enteignet werden.

In unseren Breitengraden ist die Deutschtümelei die Grundlage, der Bodensatz für das Verständnis von Über- und verwerflichen Körpern.

Die Biopolitik der Nazis und ihrer Herrenrassenideologie, hat in einer unvergessenen Treibjagd diese verwerflichen Körper auszumerzen versucht. Die Nazi-Ideologie war die schrecklichste Umsetzung des reinen, leistungsfähigen, monokulturellen Menschenbildes.

Wenn wir in den nächsten Tagen unser Mantra werden lassen, sollten wir daran denken, dass die totale, industrielle Vernichtung verwerflicher Körper nur das Ende einer gesellschaftlichen Radikalisierung ist.

Eine Radikalisierung, die schon lange wieder begonnen hat mit der Diffamierung der Kranken, Schwachen, Ausländischen, Perversen und Widerborstigen.

Und dann “Every Body Electric” von Doris Uhlich ansehen. Ein Ensemble von Menschen mit körperlichen Einschränkungen eröffnet das TQW. Kein Licht ins Dunkel. Es bleibt hell vom Anfang bis zum Ende.

Was für eine Intervention. Nicht nur in Zeiten wie diesen.

Viele haben im zeitgenössischen Tanz daran gearbeitet, dass dies möglich ist, deswegen u.a. PROPS an Bilderwerfer, lizArt, MAD – mixed able dance, Toxic Dreams, danceability, u.a.

Bis heute weiß ich nicht, ob Menschen Hartheim überlebt haben, oder Eltern ihre behinderten Kinder vor den Nazischergen versteckt haben. Warum?

und sich zu erinnern gebietet es auch den Vorstufen des Unmenschlichen entgegen zu treten. Dazu gehören eben jene Horte und Buden toxischer Maskulinität und nationalistischem Chauvinismus’, die dieser Tage ins Rampenlicht geraten sind.

Sie sind die Lebensader eben jener Deutschtümelei, die ins kollektive Unglück geführt haben.

Österreich ist weit von einem antifaschistischen Grundkonsens entfernt, weil die rote Linie nicht erst beim Verbotsgesetz beginnt. Konsens beginnt lange vor dem Strafrecht. (Etwas, das auch in anderen Kontexten nicht verstanden wird)

Es wird deswegen mehr brauchen als Demonstrationen und Besuche in Mauthausen. Eine Praxis der geschichtsbewussten Antidiskriminierung muss in allen gesellschaftlichen Bereichen umgesetzt werden.

Vielleicht braucht es eine populare Bildungsbewegung.