A shrimp in the synagogue

Going to the chapel. Ein Rant über “Verfolgt. Verlobt. Verheiratet. Scheinehen ins Exil”

Auf Vernissagen geht mensch meist weniger um eine Ausstellung zu sehen. Neben dem Inhalt der Eröffnung lockt das Ansinnen Freund_innen wieder zu sehen, zu netzwerken und ein Glas zu trinken.

In Zeiten, da Regierende nicht unterscheiden können zwischen verweigerter Fluchthilfe und Nazitäterschaft ist eine Ausstellung zum Thema Schutzehen erstaunlich und begrüßenswert.

Die Ausstellung “Verfolgt. Verlobt. Verheiratet. Scheinehen ins Exil” zeigt eine der vielen Strategien auf, mit denen Verfolgte versuchen ihr gefährdetes Leben zu retten. http://www.jmw.at/de/exhibitions/verfolgt-verlobt-verheiratet-scheinehen-ins-exil

Erstaunlich und zum Ärgernis einiger Anwesender gereichte jedoch die Einladungspolitik des jüdischen Museums. Der Vertreter des Sponsors Raiffeisen meinte wohl auf die Frage seiner Frau hinweisen zu müssen, was denn die Bank mit Scheinehen zu tun habe. Nämlich nichts.

Tu felix Austria nube… Nie gehört? Oder vielleicht Raiffeisen traditionell im bäuerlichen Milieu nie etwas von arrangierten Ehen gehört? Schein-, Schutz-, Zwangsehen haben immer nur die anderen. Natürlich.

Chuzpe hatte dann aber wirklich Herr Sobotka, der in einer Reihe von ÖVP Innenminister_innen direkt verantwortlich für die Verschärfungen sowohl im NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht) als auch im Asyl- und Fremdenrecht ist.

Mit salbungsvollen Worten sprach er über die durch solidarische Eheleute geretteten Juden und Jüdinnen. Was würde er wohl zu Annoncen wie diesen sagen, würden sie heute in einer österreichischen Zeitung erscheinen?

“Mata, du kannst doch nicht schon wieder heute mit gestern vergleichen!” Oh dear, es geht nicht um Vergleiche. Niemand konnte 1938/39 wissen, dass die Nazis die industrielle Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas durchsetzen würden.

Aber nicht nur die unmittelbar Betroffenen konnten sehr wohl sehen, dass es um ein konkretes Leben, um ein konkretes gefährdetes Leben ging. Es geht nicht um vergleichen, es geht wie auch beim Schließen von Fluchtrouten, um Konsequenzen aus der Geschichte der Shoa.

Das Erschweren von Schutzehen ist der “Verdienst” von Innenminister_innen wie Sobotka, der es sich nicht nehmen ließ, zwischen jenen solidarischen Menschen eine Grenze zu ziehen, die für die Eheschließung Geld nahmen und jenen, die es sich leisten konnten, dies nicht zu tun.

Dieser Sobotka, ÖVP darf ungestört bei einer Vernissage im jüdischen Museum sprechen, in einer Ausstellung, die zB. die Geschichte von Hilde Meisel erzählt, einer Widerstandskämpferin, die einen schwulen Schotten heiratete.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In ihrem Fall hatte womöglich der solidarische Künstler John Olday ein Interesse daran als heterosexuell zu gelten, umgekehrt gab es für lesbische und schwule Jüd_innen überhaupt keine andere Möglichkeit zu einem Schein zu kommen außer über eine Schutzehe.

Reden wir doch mal über Scheinbeziehungen, die bis heute von ÖVP und FPÖ Politiker_innen eingegangen werden, um ihre Homosexualität zu verbergen. In einer Situation, in der es nicht um Schutz, sondern um pure Macht geht.

Dieser Sobotka, höchster Repräsentant des österreichischen Parlaments, jener ÖVP, die sich gerade in Koalition mit der FPÖ befindet, darf also zum Thema Schutzehen eine Ausstellung im jüdischen Museum eröffnen. Uns gereichten leider nur offene, erstaunte Münder.

Oder wie es ein jüdischer Freund formulierte: “It’s like bringing a shrimp to the synagogue!”