Nekrophilie der Macht

Nekrophilie der Macht und am Ende in Kauf genommen sein. Ein Thread zur Not. Wendigkeit.

Was wir heute in Kauf nehmen, in Kauf nehmen, haben wir weit von uns weggeschoben. Wir versinken im Glauben an einen jugendlichen Führer, der ohne Rücksicht auf Verluste Gewinne auf Kosten vergeudbarer Leben einkassiert.

Aber er ist damit nicht allein, das in Kauf nehmen, in Kauf nehmen von Menschenleben ist nicht nur eine Frage an den Fluchtrouten durch Wüsten oder Meere, sondern auch eine, die viel näher, als uns recht ist.

2,9 Mrd hat Deutschland Zinsgewinne an der Krise in Griechenland gezogen, die direkt damit verbundenen Toten der zusammenbrechenden Gesundheitsversorgung sind anderswo gezählt, wenn überhaupt.

64.000 Menschen starben in der sogenannten Opium-Krise allein im Jahr 2016 in den USA. Zum Vergleich starben im gesamten Vietnamkrieg etwas mehr als 58.000 US-Soldaten. Die Profiteure der verschreibungspflichtigen Medikamente sind bekannt.

Der “War on Drugs” hat die größte Gefängnispopulation in der Geschichte der USA eingebracht, nur sitzt nicht das Management der Pharmaindustrie im Gefängnis, sondern schwarze und braune User_innen und Kleindealer.

In Mexiko ist ein Terror ausgebrochen, der seit Jahrzehnten die Zivilbevölkerung und insbesondere Frauen zum Opfer hat. Hat jemand mitgezählt?

Dieselabgase und Feinstaubbelastung führen in Deutschland jährlich zu 65.000 Toten. Autokonzerne sind in einem der größten Betrugsskandale verwickelt, wieviele Tote nehmen sie für ihre Boni in Kauf? Egal, ab jetzt wird wieder mit der Schulter gezuckt.

Europäische Sommer sind so heiß geworden, dass insbesondere ärmere Pensionist_innen an den Belastungen sterben. Die Erderwärmung vor der eigenen Haustür stört wenig in klimatisierten Gebäuden jene, die es sich leisten können.

2003 sterben 70.000 Menschen infolge von Überhitzung und Dehydrierung in Europa, am meisten betroffen sind die Städte Paris und Moskau.

Die Kriminalisierung von Obdachlosen in Ungarn wird die Betroffenen in die letzten Winkel des Landes treiben. Um dort in eisigen Wintern unbemerkt und ungezählt zu verrecken.

Wir nehmen es solange in Kauf, bis wir selbst verkauft sind.

Die Profiteure dieser Tage haben ihren Gewinn auf Leichen gebaut. Klingt nach Waffenindustrie und natürlich auch sie.

Wir nehmen es in Kauf, bis wir selbst verkauft sind, solange wir nicht verstehen, dass der Todestrieb auf unsere Kosten ausgelebt wird. Die Kriminalisierung von Hilfe, wie sie in Orban’s Ungarn dieser Tage von statten geht, sollte uns in die ethische Empörung treiben.

Wir befinden uns in der größten ethischen Krise seit Ende des 2. Weltkrieges, in der ein Nekro-Kapitalismus alle moralischen Standards auslöscht. So nah an unserer Haut, wie schon lange nicht mehr.

Denn wir haben es in Mitteleuropa in dieser existenziellen Intensität nicht mehr erlebt, wir haben die geschundenen Körper an den Grenzen unserer Wahrnehmung in Kauf genommen. Wir haben dies lange Zeit geübt und verinnerlicht.

Wir sind eine ethische Krise. Auch du.

Wir müssen dies verlernen und die Fragen, die Verzweiflung und Ohnmacht in ethische Organisierung wandeln. Wie das gehen soll, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass wir es können.

Warum, weil wir es im August 2015 einfach getan haben. Weil es geschah, kann es wieder passieren. So wie der Faschismus wieder passieren kann, kann sich auch Widerstand formieren. Die Entscheidung liegt bei jeder_m Einzelnen von uns.

Go fight the Power!

Nachwort:
„Es ist keineswegs so, daß Trauer das Ziel der Politik ist, doch ohne die Fähigkeit zu trauern, verlieren wir diesen geschärften Sinn für das Leben, den wir brauchen, um der Gewalt entgegenzutreten.“ Judith Butler, Gefährdetes Leben (2005)

 

Der Illegalisierung den Prozess machen

Muss mal wieder einen thread loswerden und der Illegalisierung den Prozess machen.

Weiß jemand von euch, wann genau der Spruch “Kein Mensch ist illegal!” erstmals eingesetzt worden ist? Jedenfalls beschreibt er ein sehr aktuelles Phänomen, den Prozess der Illegalisierung von Migration und Flucht.

Migration, egal ob freiwillig oder unfreiwillig passiert, hat es immer gegeben und war immer Gegenstand staatlicher Regulierung. Diese Regulierungen schaffen gerade in den letzten Jahren neue Formen der illegalisierten Körper, die zu manchen Grundrechten in Kontrast stehen.

Es gibt das Menschenrecht eines Jeden einen Asylantrag zu stellen, in jedem der 147 Länder, die der Konvention beigetreten sind. Um dieses Rechtsanspruch zu unterbinden werden Menschen auf der Flucht scheinbar kriminalisiert.

Das Framing, das auch unser BK Kurz gerne benutzt, ist “illegale Migration”, jedoch gibt es für Menschen auf der Flucht kaum die Möglichkeit legal in ein Land wie Österreich einzureisen um Asyl anzusuchen.

Als etwa die Entführungen und Folter von schwulen Männern in Tschetschenien bekannt wurden, versuchten verschiedene Stellen Innen- wie Außenminister dazu zu bewegen, humanitäre Visas auszustellen, damit Asylanträge in Österreich möglich würden. Njet.

Die Geflüchteten aus Syrien und dem Irak, die offiziell auf der Balkanroute von Land zu Land weitermarschierten, um das deutsche Angebot der Aussetzung der Dublinverordnung in Anspruch zunehmen, wurden in ihrer Grenzüberschreitung wiederum rückwirkend illegalisiert.

Die Festung Europa ist die schändliche Konsequenz, die Aushebelung der GFK ihr Resultat und der Türkei-Deal ihre Praxis.

Das Ziel ist die Beschränkung der möglichen EU-Staaten, in denen überhaupt Anträge angenommen werden. Diese illegale Auslegung der Grundrechte wird möglich, weil Staaten Gesetze schaffen, die es ihnen erlauben Rechte einzuschränken bzw. die in Anspruchnahme zu unterbinden.

Die Entwicklungen in Ungarn schlagen dem Ganzen jetzt den Boden aus. Der Regierung reicht die Kriminalisierung von Geflüchteten nicht mehr, jetzt geht es um die Kriminalisierung von Hilfsorganisationen.

Zur Erinnerung, es gibt für Menschen auf der Flucht aufgrund der gesetzlichen Zustände kaum Möglichkeiten in die EU legal einzureisen. Es gibt kaum Visa, kein Botschaftsasyl, kaum Resettlement- oder Relocationprogramme.

Orban will jetzt alle Organisationen und Einzelpersonen, die illegalisierten Geflüchteten helfen ein Jahr ins Gefängnis werfen.

Ich weiss nicht genau, wie hoch der Anteil der illegalisierten Asylwerbenden in Österreich genau ist, aber ich würde sagen, fast alle. Trotzdem haben sie ALLE das Recht einen Asylantrag zu stellen.

Die Kriminalisierung von Unterstützung soll dazu beitragen, dass Geflüchteten der Mut genommen wird, auf ihr Recht zu bestehen. Eingebettet ist das Gesetz in der Fortsetzung antisemitischen Hasses indem es StopSoros genannt wird.

Perfide, denn hier schließt sich der Kreis nocheinmal, das Schließen von Fluchtrouten und die Illegalisierung von Menschen, wie sie zB. durch den Entzug der Staatsbürgerschaft der jüdischen Bevölkerung durch die Nazis geschehen ist.

Das zur Warnung, nicht zum Vergleich.

Nationalismus hat diesen Kontinent schon mehrmals ins Unglück gestürzt, “Ungarn zuerst!”, “Deutschland den Deutschen!” England, Polen, Österreich, Frankreich, schwarze Milch – wer wird dich diesmal trinken?

Unterstützt und folgt dem , sie haben den im Thread zitierten Gesetzesentwurf übersetzt.