Angesichts

Ich stehe vor dem Bücherregal und bin zu müde, um etwas zu lesen, das konzentrieren fällt schwer. Ich lese die Buchrücken und denke vielleicht etwas Altes wieder zu lesen.

Das Buch, das ich gerade noch in der Hand hatte, finde ich nicht mehr. “100 (oder so) Gedichte ohne Vaterland” Erich Fried. Gedichte könnten sich doch bis zum Ende ausgehen, oder?

Oder doch Kassandra bei der Hand, ungehörte Warnungen aussprechen, mit Horvath die gottlose Jugend wiederfinden und den stürmischen Ast, der ihn erschlagen hat.

Ich atme Trauer ein und aus, den Atem der verwerflichen Körper, die nicht geopfert (Agamben “Homo Sacer”) und nicht begraben (Butler “Antigones Verlangen”) werden dürfen.

Eichmann in Wien, wird dies Buch gerade geschrieben? Ich denke an Kassandra und erinnere mich, dass da ja noch die Bücher in der zweiten Reihe sind.

Ich nehme die dicke Schwarte mit weißem, unbeschriftetem Buchrücken, den tausend Plateaus. Dahinter Brecht.

Ein kleines Etwas, das zuerst wie ein Stück Papier aussieht, fällt zu Boden. Es ist ein Pflaster.

Ob es hilft?