Verletzende Sprache und Zivilgesellschaft

Verletzende Sprache und die Organisierung einer Zivilgesellschaft. Ein semi-sortierter Rant des langen Atems…

Teil einer Minderheit zu sein, bedeutet sprachlich als solche immer wieder hergestellt zu werden. Minderheiten und Marginalisierung würden ansonsten nicht existieren. Die Wörter “Minder” und “Marginal” zeigen schon, wohin die Reise geht.

Verletzende Sprache ist Teil dieser Mechanismen, die gewisse Personengruppen an Un-Orte versetzt. An einem Un-Ort zu sein, bedeutet in die Sprachlosigkeit gedrängt und als Mangel entblößt zu werden.

Es wird entweder viel über dich geschwiegen oder es sich viel über dich empört.

Verletzende Sprache ist aber nicht einfach ein gewisses Vokabular, es ist oft ein Körper, der spricht. Und es ist nicht immer Hass oder Wut, sondern auch Enttäuschung, Trauer und Scham, die in ihr Ausdruck finden.

So kann jedes Wort zu einer kleinen Hölle werden. Jede Geste dich weiter ins Labyrinth verfrachten an dessen Ende ein Monster wartet.

Mein Wort war lange Zeit “natürlich” und ich verbannte es (jedenfalls als Füllwort) aus meinem Wortschatz. Von den nächsten Menschen als unnatürlich gezeichnet zu werden, versetzte mich in die Wohnungslosigkeit und Verstecken in der Großstadt.

Beschimpfungen haben auch hier nicht aufgehört, aber es gab den wesentlichen Unterschied und der hieß sich aktivistisch zu organisieren. Neue Wörter kamen hinzu, wie Homolobby und Berufsschwuchtel, mit der die Community bis heute bedacht wird.

Zuerst beleidigen sie dich auf persönlicher Ebene, du organisierst dich und sie beleidigen dich als Organisierte. Right on, etwas wurde richtig gemacht.

Trotz den immensen Fortschritten, die die LGBTIQ Community gemacht hat, braucht es immer noch die Gegenrede. Der Diskurs ist niemals gewonnen, denn Diffamierungen, Verschwörungstheorien, persönliche Untergriffe sind weiterhin Strategien der Wortgewaltigen.

Irgendwann wurde ich dann zusätzlich zur Perversen zum Gutmensch.

An sich würde es IMHO reichen ein Mensch im yiddischen Sinne zu werden, aufrecht und integer, aber gut dann halt ein Gutmensch, ein Willkommensklatscher, eine Wir-schaffen-das, eine “Wir holen das Beste und nicht das Schlechteste aus uns Menschen raus”.

Während die diffamierende Bezeichnung “Gutmensch” noch auf einzelne Individuen abzielt, beginnt seit geraumer Zeit den Hasspredigern die Organisierung der Gutmenschen Sorge zu bereiten. Neue Begriffe und neue Un-Orte müssen geschaffen werden.

Zuerst reichte ihnen noch die diffamierende Verknüpfung von Asyl u Industrie (warum sich die IV dagegen nicht wehrt, weiß ich nicht). Der Bereich des Asylwesens wird seit Jahren mit Unterstellungen des Missbrauchs, der Mafia, der Lüge verbunden, nicht mit Schutz u Menschenrecht.

Da dieser territoriale Gewinn nicht ausreichend ist, geht es nun weiter gegen die “Sozialindustrie”, den Sozialstaat, wiederum verknüpft mit Missbrauchsdiskursen und xenophoben Setzungen.

Wenn uns schon die Entmenschlichung des Begriffes “Asyl” so wenig gestört hat, dann sollten wir spätestens bei der Enthebelung des Wortes “Sozial” wach gerüttelt werden. Es gibt keine Demokratie ohne einen sozialen Staat. Schluss aus.

Eine staatliche Organisierung, die nur nach oben verteilt, ist zu tiefst undemokratisch und unsozial. So ein Staat hat keine Daseinsberechtigung, legitimiert ihn nicht mit abgegebenen Stimmen bei einer Wahl.

So bleibt: Um Sprache ringen – Territorien zurückerobern – Mensch werden.